Interview mit Franz Wörndle

Franz Wörndle, Jahrgang 1957, ist gebürtiger Garmisch-Partenkirchner und seit Oktober 1994 Marktarchivar im hiesigen Rathaus. Nach dem Abitur studierte er Didaktik der Deutschen Sprache, Neuere Deutsche Literatur und Klassische Philologie und absolvierte anschließend eine Ausbildung bei Siemens zum Technischen Redakteur. Als Marktarchivar war er unter anderem an der Entstehung der ehemaligen Michael-Ende-Ausstellung im Garmischer Kurhaus beteiligt und engagierte sich auch in vielen anderen Projekten rund um den berühmten Autor. Bevor er sich im Juli 2023 in den Ruhestand verabschiedet, möchten wir es nicht versäumen, ihn noch einmal über Michael Ende und dessen Bedeutung für Garmisch-Partenkirchen zu befragen.

 

 

Nun schließt sich der Kreis, und Ihre Ära als Archivar des Marktes Garmisch-Partenkirchen endet. Was möchten Sie den Bürgerinnen und Bürgern noch mitgeben? 

Das Marktarchiv ist keine Enklave. Es steht allen geschichtsinteressierten Bürgerinnen und Bürgern für Forschungsvorhaben offen. Garmisch-Partenkirchen hat eine sehr interessante und vielschichtige Ortsgeschichte. Es hat es mich immer sehr gefreut, wenn Bürgerinnen und Bürger historische Unterlagen in das Marktarchiv gebracht haben, die sonst vielleicht entsorgt worden wären. Daher appelliere ich an alle, die Kulturgüter haben, diese dem Marktarchiv anzubieten.

 

Welche Dokumente sind denn für das Archiv interessant?

Das können Ansichtskarten, Plakate, Feldpostbriefe oder Lebensmittelmarken aus der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkrieges, Firmen- und Vereinschroniken, Festschriften, Bücher und Zeitschriften zur Geschichte des Marktes, Notgeld von Garmisch und Partenkirchen aus den Jahren 1919 bis 1923 sein. Aber auch Ortspläne und Landkarten von Garmisch-Partenkirchen und Umgebung, alte Speisekarten von hiesigen Gaststätten, historische Fotografien von Gebäuden, Straßen, Plätzen, besonderen Veranstaltungen, Alltagsszenen, früheren Arbeitsstätten und alten Arbeitsgeräten, Sportereignissen und Freizeitaktivitäten oder Fotos aus der Kriegs- und Besatzungszeit, Tagebücher, Aufzeichnungen und Dokumente über weltliches und religiöses Brauchtum, schriftliche Aufzeichnungen über den Arbeitsalltag bis hin zu Dokumenten über Feste und Jubiläen.

 

Ein Marktarchivar ist ja gewissermaßen ein „Hüter der Zeit“. Was bedeutet Zeit für Sie?

Es gibt ein schönes arabisches Sprichwort, das in meinem Büro hängt: „Wenn Du Dein Leben lang einsammelst, wann willst Du das Gesammelte genießen?“ Ich werde versuchen die Zeit nach dem Sammeln für das Archiv sinnvoll zu nutzen, denn Zeit ist wertvoll und die Lebenszeit ist endlich. Jedenfalls sollen mich die Grauen Herren nicht in ihre Fänge bekommen.

 

Welche Verbindungen hatten Sie während Ihrer Zeit im Marktarchiv mit Leben und Werk von Michael Ende?

1999 begann mit dem Festabend zu seinem 70. Geburtstag meine intensive Beschäftigung mit ihm. Durch den Kultursommer 2004 entstand die wunderbare Ausstellung zu seinem und seines Vaters Leben und der Kontakt zu vielen seiner Freunde. 2007 schien es mir, als ob Michael Ende mit der Dauerausstellung „Der Anfang vom Ende“ endlich wieder in seinem Geburtsort angekommen wäre. Mit der endgültigen Schließung der Ausstellung und dem Ende des Kultursommers wurde es wieder sehr still um ihn. Jetzt scheint aber wieder ein Lichtstreif am Horizont zu sehen zu sein.

 

Gibt es ein Werk von Michael Ende, das Ihnen persönlich besonders viel bedeutet?

Momo. Es war schon aktuell, als Michael Ende es schrieb und wird in unserer schnelllebigen Zeit immer aktueller.

 

Was bedeutet Michael Ende für Garmisch-Partenkirchen?

Er ist einer der beiden „Kultur-Leuchttürme“, aber seine Leuchtkraft muss meiner Ansicht nach noch viel mehr zum Strahlen gebracht werden. Michael Ende ist ein Beispiel dafür, dass in Garmisch-Partenkirchen neben dem Sport und der Natur auch immer schon die Kultur vorhanden war, die jedoch im Vergleich nie gleichwertig behandelt und wertgeschätzt wurde. Da Michael Ende ein wirklicher Weltliterat war, sollte auch im touristischen Sinne mehr mit ihm und seinen Botschaften geworben werden.

 

Haben Sie Ideen, wie Leben und Werk Michael Endes im Ort sichtbarer gemacht werden können? 

Lesungen und Theaterstücke, die über das ganze Jahr verteilt an seine Werke erinnern, müssen ein fester Bestandteil des kulturellen Leitbildes werden. Meiner Ansicht nach könnte man die Erinnerung an Michael Ende – ähnlich wie bei Richard Strauss –  am besten und nachhaltigsten mit einem jährlichen Festival wachhalten. Der Michael-Ende-Kurpark muss endlich noch viel deutlicher seinem Namen gerecht und die von Pe Hebeisen und Thomas Bruner geplante Parkgestaltung vollendet werden. Bereits an den Ortseingängen muss, wie es jetzt im Jubiläumsjahr der Fall ist, mit entsprechenden Schildern die Verbindung von Michael Ende zu seinem Geburtsort dauerhaft vor Augen geführt werden. Und wenn ich träumen darf: Eine neue Dauerausstellung im Kurhaus Garmisch würde sicher auch heute noch Kinder und Erwachsene gleichermaßen begeistern.